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Sonett 96: Die Tadeln Deine Keckheit, Deine Jugend

Die tadeln deine Keckheit, deine Jugend, Die andre lieben als des Jünglings Zier. Gefällig wirkt dein Laster wie die Tugend, Denn selbst ein Fehler wird zum Schmuck an dir. So wie an einer stolzen Fürstin Hand Der schlechtste Stein Bewunderung erregt, Wird alles Falsche, das an dir sich fand, Als echtes Gold und Wahrheit ausgelegt. Wie hauste wohl ein Wolf in Lämmerherden, Könnt' er sich kleiden in des Lamms Gestalt, Wie viele Herzen würdest du gefährden, Gebrauchtest du der Schönheit Allgewalt! Doch tu es nicht! Da dich die Liebe schuf Zu eigen mir, ist mein dein guter Ruf.